Das Pferd und die feinen Unterschiede

Zu Gast bei Catherine Hurnis Pferd und Mensch Coaching

Langsam nähert sich eine weiche Schnauze der empfindlichen Nackengegend. Chantal lacht leise auf. Das sanfte Schnauben kitzelt. Ganz ruhig nimmt sie eine ihrer Hände von den Augen und streichelt über Akiras Kopf. Ihre Augen bleiben geschlossen. Die Lehrerin steht im Paddock und träumt von einem Ort, der ihr Ruhe und Kraft spendet.

 

 

 

Trainerin Catherine Hurni beobachtet das Geschehen. Es ist die erste Coachingstunde mit der 48-jährigen Chantal und dem Wallach Akira. Jede Stunde mit einem neuen Schüler bedeutet für die Trainerin mit zwei Unbekannten zu arbeiten. „Alles ist offen, weil ich noch nicht weiß wie Mensch und Ross aufeinander reagieren werden“, sagt sie. Bei Chantal und Akira standen die Vorzeichen nicht so gut. „Angst hab ich vielleicht nicht – aber schon Respekt vor dem unbekannten großen Tier“, hatte die Kundin zu Beginn der Sitzung verkündet. Zielsicher hat sie sich dann auch noch den Wallach ausgesucht, den Catherine Hurni gerne als ihre Knacknuss bezeichnet. „Dass Akira wirklich zu jemand her kommt – das haben noch wenige geschafft.“ Doch beim Persönlichkeitstraining mit Pferden ist eben alles offen – und so wird die Trainerin jetzt Zeugin einer sehr innigen Szene.

 

 

 

Beim „Pferd und Mensch“-Training von Catherine Hurni in Biederthal auf der Ferme Leihouse, geht es darum zu lernen, ein Pferd ganz ohne den üblichen Druck zu führen. Aber gleichzeitig geht es eben auch um die Persönlichkeitsentwicklung des Menschen. Wie hängt das zusammen? Um als Führungspersönlichkeit akzeptiert zu werden, muss sich der Mensch die Körpersprache einer Leitstute oder eines Leithengstes aneignen. Das heißt aber nicht, dass er auf allen Vieren durchs Gelände galoppieren muss, sondern vor allem, dass er Sicherheit und Vertrauenswürdigkeit ausstrahlt. „Das Pferd spürt Unsicherheiten und Erwartungen sofort und reagiert darauf – erst wenn der Mensch ausgeglichen und souverän ist, und das auch zeigt, folgt ihm das Pferd“, sagt Catherine Hurni. Der Weg zu einem guten Umgang von Mensch und Tier ist also ein gemeinsamer.

 

 

 

Wie fein die Unterschiede manchmal sein können, hat man im Coaching mit Chantal und Akira beobachten können. Die Lehrerin joggte durch das Gehege, ruhte sich aus, spielte mit Bällen und Ringen – aber erst in dem Moment, als sie es schaffte den Gedanken „Jetzt komm schon, beachte mich“ auszuschalten, schenkte ihr Akira seine Aufmerksamkeit. Jetzt galt es das Pferd in Gedanken einzuladen, ohne Erwartungen an es zu stellen – und das auch in der Körpersprache auszudrücken. Einen kurzen Moment zögerte Akira und überlegte, ob er hinter Chantal her laufen sollte. Dann wandte er sich plötzlich wieder ab. „Hast du gespürt, was da passiert ist?“, fragt Catherine Hurni ihre Schülerin. Diese nickt: „Ich habe zu sehr erwartet.“ Von außen hat man den Unterschied in der Körpersprache kaum gesehen – Akira aber hat ihn gespürt, als ob er Gedanken lesen könnte. „Die Körpersprache ist die Sprache der Pferde – unsere auch, aber wir haben sie ein bisschen verlernt“, sagt Catherine Hurni.

 

Was die 44-Jährige in ihrer Ausbildung auf der Queens Ranch in Stein im Aargau über dieses Zusammenspiel gelernt hat, kann sie heute auf die unterschiedlichste Weise anwenden und weitergeben. Sie bringt Kindern und Jugendlichen den richtigen Umgang mit dem Reitpferd bei. „In den meisten Reitschulen setzt man die Kinder ja nur auf das gesattelte Ross – aber das reicht vielen nicht. Sie wollen Zeit mit den Tieren verbringen und sie verstehen lernen“, sagt Catherine Hurni. Auch Pferdebesitzer, die Probleme mit ihren Tieren haben, kommen zu ihrem Coaching. Und nicht zuletzt Menschen, die an sich selbst arbeiten möchten. „Ich habe ja schon mit Entspannungstechniken gearbeitet – aber mit dem Ross ist das nochmal was anderes“, sagt Chantal nach ihrem ersten Coaching. „Das Feedback ist so unmittelbar und ehrlich – man spürt den Erfolg richtig.“

 

 

 

 

Gerade für jene Menschen, die aus der Großstadt und dem Arbeitsstress nur selten herauskommen, hat die Arbeit auf der Ferme Leihouse noch einen weiteren Aspekt: Natur und Tierbeobachtung wirken schon von sich aus entspannend. Catherine Hurni unterstreicht diesen Effekt beim Training gerne mit der passenden Musik. Wenn es ihren Kunden vor allem um die Persönlichkeitsentwicklung geht, arbeitet Catherine Hurni auch mit Atem- und Psychotherapeuten zusammen, um noch weiter in die Tiefe gehen zu können.

 

Chantal zieht schon aus ihrem ersten Coaching eine Menge positives: „Es hat mich daran erinnert, wie viel mehr ich erreichen kann, wenn ich mich selbst gut und souverän fühle – und, dass ich dieses Gefühl auch selbst herbeiführen kann – gerade in stressigen Zeiten.“ Ihr mentales Bild von einem Ort mit tosendem Wasser, der ihr Kraft und Ruhe spendet, nimmt sie mit nach Hause zum Üben. Der intensive Moment in dem sich Akira ihr anschloss, hat dieses Bild tief in ihrem Kopf verankert.